Antike Religion und Archäologie

Workshop

Coord. : FRANÇOIS QUANTIN, THOMAS G. SCHATTNER, DIRCE MARZOLI
Org. : Casa de Velázquez, Deutsches Archäologisches Institut (Madrid)
Col. : Fundación Colegios Mayores MAEC-AECID

In Zusammenarbeit mit der Casa de Velázquez und der Abteilung Madrid des Deutschen Archäologischen Institutes wird in der Zeit vom 15. bis 18. Juni 2010 ein Workshop für junge Wissenschaftler veranstaltet, der in diesem Jahr zum fünften Mal stattfindet.

Thema in diesem Jahr sind die antiken Heiligtümer und Kulte. Die wissenschaftliche Koordination der Veranstaltung liegt in Händen von François Quantin (Université de Pau) und Thomas Schattner (Deutsches Archäologisches Institut, Madrid).

Bewerber müssen an Ihrer Dissertation über ein entsprechendes Thema arbeiten, bzw. dieselbe vor kurzem abgeschlossen haben. Aus den Bewerbern werden die Veranstalter 16 Teilnehmer auswählen.

Der Workshop ist so organisiert, dass von Mentoren eingangs zu den auszuwählenden Unterthemen, Vorträge über ihre eigenen Forschungen gehalten werden, an die sich so dann die Vorträge der Bewerber anschließen, die auch zu den angewendeten Methoden Stellung nehmen sollen. Ferner ist Gruppenarbeit geplant um bestimmte Teilaspekte oder Probleme herauszuarbeiten. Die Arbeitssprachen sind spanisch, deutsch, französisch, italienisch und englisch.

Als Mentoren haben ihre Teilnahme zugesagt:
ADOLFO DOMÍNGUEZ MONEDERO (Universidad Autónoma de Madrid), ANDREAS GUTSFELD (Université de Nancy 2), ARTHUR MULLER (Ècole Française d’Athènes), EMILIO SUÁREZ DE LA TORRE (Universidad Pompeu Fabra, Barcelona), FERNANDO PRADOS (Universidad de Alicante), MASSIMO OSSANA (Università di Potenza) y UTA KRON (Universidad Jena).

Präsentation

Die Vorstellung des Göttlichen wie der Umgang mit dem Heiligen ist zu allen Zeiten ein wesentliches Anliegen des Menschen gewesen. Dies ergibt sich aus der Beobachtung und Überlegung, dass die sichtbare, greifbare Welt nicht das ganze Wesen der Dinge ausmacht.
Der Kontakt mit dem Göttlichen ist überall möglich, in den Heiligtümern und Kultplätzen ist er jedoch institutionalisiert. Die Untersuchung von Heiligtümern und den dort praktizierten Ritualen erlaubt damit Rückschlüsse auf die Religionsgemeinschaft, auf ihr Selbstverständnis, ihr Gesellschaftsbild und ihre Wertvorstellungen mithin zu ihrer Identität.
Auch in unserer heute eher säkularisierten Gesellschaft spielt die Beschäftigung mit Ritualen und ihrer gesellschaftlichen Konnotation eine weit größere Rolle als oftmals angenommen – etwa in der Auseinandersetzung mit benachbarten Kulturen und Gesellschaften, denen die Trennung von Politik und Religion fremd ist. Die Forschung hat sich im letzten Jahrzehnt verstärkt diesem Problemkreis zugewandt, der ideale Ansätze für ein fachübergreifendes Herangehen bietet.
Die Arbeit des Taller hat zum Ziel, die Heiligtümer in ihren verschiedenen Bestandteilen vorzustellen. Daraus resultiert die Gliederung in 1) Gestalt und Raum, 2) Votiv und 3) Kult und Gottheiten. Die Darlegungen zu diskutieren, zu bewerten und in einen interdisziplinären Zusammenhang zu stellen ist das Ziel der Gesprächsrunden, denen breiter Raum gewidmet ist. Obgleich Themen der gesamten griechisch-römischen Kultur und den entsprechenden Randgebieten willkommen sind, so steht doch die Situation im Westen angesichts unseres Standortes in Madrid im Vordergrund. Auf diese Weise ergeben sich von selbst unterschiedliche Ansätze, die zum Vergleich herausfordern. Die Synopse wird  Einsichten fördern, indem Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Räumen deutlich werden.

Heiligtum
Ein Heiligtum ist immer ein bewusst besetzter, gestalteter Raum zum Zweck der Kultausübung. Das Spektrum reicht dabei von einfach gestalteten Naturheiligtümern über sog. Höhenheiligtümer, Stelenfelder, Wegaltäre, Brandopferplätze bis hin zu monumentalen Tempelanlagen. In Form und Gestalt eines Heiligtums manifestieren sich Form und Gestalt der jeweiligen Religion und ihrer Gesellschaften. Die Anforderungen an den Kult können architektonisch umgesetzt werden. Die bauliche Ausgestaltung des sakralen Raumes – ob aufwendig oder zurückhaltend, bebildert oder bildlos, einem Kanon folgend oder individuell konzipiert – lässt mitunter sogar Rückschlüsse auf zugrunde liegende religiöse Vorstellungen bzw. theologische Konzeptionen zu.
Eine besondere Rolle spielen dabei Fragen nach dem Ursprung der Religionsausübung und der Kontinuität des Kultes in bedeutenden Heiligtümern des Altertums. Schriftliche Überlieferungen aus der Antike geben zwar in der Regel entscheidende Hinweise auf Alter und Bedeutung eines Kultplatzes, doch vermag die archäologische Untersuchung in vielen Fällen präzisere, teilweise sogar detailreichere, manchmal aber auch überraschend andere Bilder der antiken Realität zu liefern.
Die Gründung von Heiligtümern an einem bestimmten Ort wurde in der Antike direkt mit dem vergangenen Wirken von Göttern oder Heroen in Zusammenhang gebracht. Sie kann unbestimmt weit zurückliegen, aber auch mit konkreten Ereignissen zusammenhängen, beispielsweise der Eroberung eines Siedlungsgebietes oder der Gründung einer Stadt. Damit erhalten die Heiligtümer in vielen Fällen eine zentrale Bedeutung für die Identität der Bevölkerung, seien es kleine Gruppen oder die gesamte Bewohnerschaft eines Territoriums, für das sie häufig auch eine Schutzfunktion besitzen.
In vielen Heiligtümern wurden auffällige natürliche Erscheinungen oder in früheren Zeiten geschaffene Bauten zu Kristallisationspunkten kultischer Verehrung. Mythen, die mit diesen Phänomenen verbunden wurden, können vielfach durch die archäologische Forschung auf ihren Gehalt überprüft werden. Dabei ergeben sich sowohl auffällige Übereinstimmung als auch Abweichungen. Oft wird die Kontinuität des Kultbetriebes an einem Ort als selbstverständlich hingenommen, ohne dass man die Veränderungen, die im Laufe der Jahrhunderte erfolgten, hinreichend berücksichtigt.

Votiv
Neben Stätten für gemeinschaftlich vollzogene Rituale und Feste bildeten die Heiligtümer jedoch auch Orte für die individuelle Kommunikation mit der bzw. den Gottheiten. Die Kommunikation des Einzelnen mit der Gottheit lässt sich archäologisch an Weihegaben bzw. Votiven ablesen.
Die Weihegaben sind außerordentlich häufig und nicht selten das einzige Indiz für die Identifikation eines antiken Heiligtums, da sie am Ort ihrer Aufstellung belassen oder später im Heiligtum separat deponiert wurden. Diese Gaben zeugen von dem symbolischen Gabentausch der Gläubigen mit den Göttern und können sowohl die religiösen Vorstellungen, als auch die sozialen Hintergründe der Kultteilnehmer erhellen, wie etwa deren Status, Geschlecht und Herkunft. Die Untersuchung der Weiheopfer lässt Aussagen über die Zusammensetzung der Kultgemeinschaft und über den Charakter des jeweiligen Kultplatzes zu. In vielen Heiligtümern haben sich große Mengen von Weihegaben gefunden, die dort über Jahrhunderte, manchmal sogar Jahrtausende deponiert wurden. Über eine diachrone, mehrere Zeitebenen vergleichende Analyse des Votivspektrums kann die Entwicklung der Kultstätten untersucht werden. Zudem lassen sich zeittypische Vorlieben für bestimmte Votive und deren Verwendung im Kult beobachten, die nicht nur veränderte religiöse Vorstellungen, sondern auch einen gesellschaftlichen Wandel widerspiegeln.

Kulte
Kultplätze waren zu allen Zeiten Orte, an denen die Menschen in Interaktion mit dem Heiligen treten. Dieser Kontakt kann in Form von symbolischen Kulthandlungen erfolgen, zu denen Prozessionen gehören, aber auch Tanz und Musik, Gebete, Orakel, Tier-, Trank- und Rauchopfer, Weihungen und Kultmahlzeiten. Laufen diese Handlungen nach einer vorgegebenen Ordnung, d.h. formalisiert und inszeniert ab, spricht man von religiösen Ritualen. Die Vorstellungen einer Gesellschaft haben nicht nur Einfluss auf die Architektur und Ausstattung des Heiligtums, sondern prägen auch die dort abgehaltenen Rituale. Der genaue Ablauf solcher Kulthandlungen erschließt sich allerdings nur noch teilweise. Für den altägyptischen, altorientalischen und griechisch-römischen Bereich können sowohl Schriftzeugnisse, wie etwa Ritualtexte und Kultgesetze, als auch bildliche Darstellungen etwa auf Vasen, Reliefs und Fresken, Einblick in Form und Ablauf einiger dieser Handlungen geben. Für Rituale, die nicht schriftlich fixiert oder bildlich dargestellt wurden, sind dagegen die archäologischen Funde und Befunde des kultischen Handelns die einzigen Belege. So finden sich z. B. in vielen Heiligtümern Ascheschichten vermischt mit Tierknochen und Artefakten, die als materielle Hinterlassenschaften von Opfern und Kultmahlzeiten gelten können.
Eine besondere Rolle spielen die im rituellen Kontext eingenommenen Mahlzeiten und Getränke. Sie sind ein Phänomen verschiedener antiker Kulturkreise, zelebriert im Rahmen von anderen Zeremonien und Opferhandlungen sowie von Totenfeiern. Für ihre Rekonstruktion kommt den archäologischen Befunden große Bedeutung zu. Diese lassen sich übergreifend betrachtet in vier verschiedene Kategorien von archäologischen Zeugnissen fassen: 1. Gefäße und Geräte, 2. Speisereste (vor allem Tierknochen), 3. Bauten und Anlagen für entsprechende Anlässe, 4. bildliche Wiedergaben von Nahrungsmitteln und Utensilien. Dieses Forschungsfeld beinhaltet eine starke philologische Komponente.
Hierbei ist auch der Grabkult zu berücksichtigen.
Die in Heiligtümern vollzogenen Handlungen und Rituale sind eng mit denen verwandt, die an Gräbern vollzogen wurden. Von daher erscheint es sinnvoll den Grabkult ebenfalls in die Betrachtung mit einzubeziehen. Häufig können sich die erwähnten Handlungen wechselseitig erklären. Grabbefunde können helfen Heiligtumsbefunde zu erklären und umgekehrt. Besonders die rituellen Malhzeiten spielen an den Gräbern eine Rolle, die sich gerade in den punischen Nekropolen Hispaniens finden. Besonders sequentielle, performative und dynamische Aspekte können hier möglicherweise beobachtet werden.

 

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01/03/2022 - Espagnol